Andacht
Und reitet auf einem Esel
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer.
(Sacharja 9,9)
Liebe Leserinnen und Leser,
Dieses Wort des Propheten Sacharja steht als Wochenspruch über dem Beginn der Adventszeit. Wenn man so will, läutet es jedes Jahr das neue Kirchenjahr ein und erinnert daran, wen wir in der Adventszeit erwarten: Nicht einfach ein kleines Kind in der Krippe, sondern den König der Welt. Der Gottessohn kommt mit Zuspruch und Anspruch. Er wird gerecht regieren und er wird hilfsbereit sein, aber er kommt doch als Herrscher, als König. Allerdings, und darin stimmen der Prophet aus dem Alten Testament und die Weihnachtsgeschichte überein, sieht man das nicht auf den ersten Blick. Das Wort des Propheten geht noch weiter:
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, …
(Sacharja 9,9)
Einen König stellten sich Menschen in der Regel anders vor. Nicht auf einem Lasttier sitzend, sondern eher auf einem Schlachtross. Ein Herrscher, gerüstet zum Kampf, jederzeit bereit, laut zu werden. Einer, der durchgreift und endlich etwas tut, um die Probleme zu lösen. Wer anders auftritt, leise agiert und kleine Schritte einfach geht, statt über die großen Würfe nur zu reden, wird nicht ernst genommen. Das war vor 2000 Jahren so und in mancherlei Hinsicht ist es auch jetzt nicht viel anders – auch wenn vermeintliche Retter und Problemlöser heute eher selten hoch zu Ross erwartet werden. Mediale Präsenz, Lautstärke und das Spiel mit Emotionen machen zumindest kurzfristig mehr Eindruck als das durchdachte und abgewogene Argument.
In Jesus kam der Messias anders, als es sich viele Menschen erhofft hatten. Dass die harte Herrschaft der Römer nur mit militärischen Mitteln bekämpft werden könne, war eine verbreitete Meinung. Jesus setzte dagegen Gottes Botschaft vom Frieden. »Wenn dich jemand auf deine rechte Backe schlägt, dem biete die andere auch dar« (Mt 5,38) – Suche nach Wegen, die Spirale von Gewalt und Vergeltung zu durchbrechen. Freilich geht es dabei immer um die eigene Backe, nicht um die eines anderen, der die Seine bitte herhalten möge.
»Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge?« (Mt 7,3) – Schiebe die Verantwortung nicht auf andere ab, sondern frage dich, was du selbst besser machen kannst. »Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.« (Mt 25,40) – Bedürftigen zu helfen, egal warum sie Hilfe nötig haben, ist Gottesdienst. »Habe ich übel geredet, so beweise, dass es böse ist; habe ich aber recht geredet, was schlägst du mich?« (Joh 18,23) – Nachfolge heißt nicht, alles schweigend hinzunehmen. Wo Ungerechtigkeit geschieht, nenne sie beim Namen!
Siehe, dein König kommt zu dir, ein Gerechter und ein Helfer, arm und reitet auf einem Esel, …
(Sacharja 9,9)
Eine gesegnete Advents- und Weihnachtszeit wünscht Ihnen
Ihr Dr. Sven Petry, Superintendent