Andacht
Gut ist der Herr, eine feste Burg am Tag der Not. Er kennt alle, die Schutz suchen bei ihm. Nahum 1.7
Draußen dröhnt furchterregend das Gebrüll bärtiger Angreifer durch den Laubwald; immer näher rückt das angstmachende Geklapper und Geklimper von Spießen und Stangen und Leitern. Und die ersten wagen sich aus dem Wald heraus, drohen mit ihren Fäusten und Waffen und brüllen wie die Löwen. Drinnen? Drinnen rennen sie hektisch hin und her; einige knien auf dem Boden und pusten mit hochrotem Kopf in das Feuer unter den Kesseln mit siedendem Pech. Bis auf wenige Meter sind mittlerweile die anderen herangerückt. Die erste Leiter wird gegen die Mauer gelehnt – doch sie reicht nicht hoch genug. Ob die Burg der ganzen Sache überhaupt Stand halten kann? Heute schlendern Touristen durch ihr einladend geöffnetes Tor. Bänke stehen im Burghof; Mann und Frau nimmt Erdbeerkuchen zum Kaffee; Kalorienbewusste wählen Joghurt mit frischen Früchten. Junggebliebene Seniorenehepaare verschicken lässig ein paar Urlaubsgrüße per whatsapp von so `ner Burg….
Die Zeiten haben sich geändert. Oder vielleicht doch gar nicht so sehr? Immer wieder erleben Menschen Angriffswellen in Europa und im Nahen Osten, sowie in Äthiopien und im Sudan. Es gibt Flutwellen und Infektionswellen. Wellen machen noch immer Angst… nicht nur große, auch die kleinen wie die leisen, gezielt gesetzten Worte. Manchmal da verbrüht ein einziger Satz deine Seele schlimmer als das brodelnde Pech deine Haut. Manchmal müssen wir uns wehren gegen das milde Lächeln der anderen über unseren Glauben und dass wir in der Kirche doch immer weniger werden… Manchmal wissen wir nicht, was wir antworten können auf die Fragen nach dem Warum – Warum lässt Gott das zu? Und wir fragen uns: Wo sind da bergende Mauern? Wo ist da ein Raum, der mich schützt? Der Herr Luther würde uns auf diese Fragen vielleicht was vorsingen – nämlich sein Lied von der festen Burg, die unser Gott ist. Ein feste Burg ist unser Gott – das hat Martinus Luther 1529 gedichtet und dachte vielleicht an die Wartburg, die ihm äußeren Schutz bot in schwieriger Zeit. Inneren Schutz fand Junker Jörg – so Luthers Deckname auf der Wartburg – bei Gott von dem er singt: Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind gar bald verloren; es streit für uns der rechte Mann, den Gott hat selbst erkoren. Fragst du, wer der ist? Er heißt Jesus Christ. (Evangelisches Gesangbuch 362)
Geborgenheit und Schutz in Zeiten der Not – ist dieser Glaube angesichts dessen, was Menschen an Schrecklichem passiert, naiv? Ein Kinderglaube? Wenn unter Glaube eine Art Rund-um-Versicherung verstanden wird, dann ist Enttäuschung vorprogrammiert. Wenn aber das Wort des Propheten Nahum – sein Name bedeutet übrigens ‚Gott tröstet‘ – so gehört wird, wie er es sagt, nämlich dass es Not und Bedrängnis gibt – sonst bräuchte man ja keine Burg und keinen Schutz -, dann sieht der Glaube das Leben und Gott ganz realistisch und ehrlich. Mit solch einem Blick wagen wir uns an das Vertrauen, das dem Leben Halt gibt. Das bedeutet: loslassen vom überdrehten Selbstbewusstsein und sich einlassen auf eine Dimension, die außerhalb der eigenen Muskeln und Gehirnwindungen liegt. Klar, haben sich die Zeiten geändert. So eine Burg ist heute bestenfalls ein Besuchermagnet und keine Wehranlage mehr. Aber so eine Burg steht noch immer auf dem gleichen Fundament.
Und unser Glaube tut das auch! Einen anderen Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Dieser Satz aus dem 1. Korintherbrief ist das Bibelwort für den Reformationstag, bei dem es zum guten Ton gehört, das Lied Ein feste Burg ist unser Gott zu singen. Unser Glaube ist kein jährliches Ausflugsziel, sondern ein Haus, in dem wir gut, gerne und sicher wohnen,
findet Ihr Rafael Schindler

